„Ohne Puchberg kein Papst Benedikt!“

„Ohne Puchberg kein Papst Benedikt!“

1968 hat Prof. Joseph Ratzinger in „Einführung in das Christentum“, Seite 225 geschrieben, dass Jesu Gottessohnschaft das Herkommen aus einer normalen Ehe an sich nicht ausschließen würde. Das ist viel zitiert worden. Am 24. Juli 1976 war Kardinal Döpfner mit 66 Jahren überraschend gestorben. Am 25. März 1977 wurde Joseph Ratzinger in München sein Nachfolger.

Die Erzählung lautet: Dem großen, nach seinem Wechsel von Tübingen nach Regensburg nun konservativer gewordenen Theologen wurde klargemacht, dass er ohne Korrektur dieser Passage niemals Bischof würde werden können. Man stelle sich vor: Jesus hätte einen biologischen, irdischen Vater!
19./20. April 1975 fand in Puchberg das Wochenendseminar „Maria“ mit Joseph Ratzinger statt. Auf Seite 21 des bei mir befindlichen Manuskripts [Puchberger Arbeitsblätter „Maria“, Tonbandabschrift der Vorträge] findet sich der Satz: „Die jungfräuliche Geburt ist der notwendige Ursprung dessen, der der Sohn ist und der darin auch erst der messianischen Hoffnung einen bleibenden und über Israel hinausweisenden Sinn gibt.“ 1977 publiziert Bischof Ratzinger diese Vorträge in: „Tochter Zion. Betrachtungen über den Marienglauben der Kirche“. Seite 50 bringt er diesen Satz aus der Puchberg-Veranstaltung. In der Fußnote 9 zu diesem Satz erläutert er ausführlich seine „Korrektur“. Mit den Puchberger Arbeitsblättern konnte er diese Korrektur vorweisen und der Karriere stand nichts mehr im Wege.

Bemerkenswert ist: Während er den Jungfräulichkeitsglauben als das „Marianische Urdogma: Mutter und Jungfrau“ (36) bezeichnet, bringt er diesem Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel relativierende Interpretationen. Bei diesem Dogma geht es, so Ratzinger, plötzlich nicht mehr um ein historisches Faktum, sondern um einen „Akt der Verehrung.“ (73). Ein Beispiel für die Plastizität von Dogmen und ihrer Interpretation.

Wilhelm Achleitner

Dieser Text basiert auf einem Artikel vom 21. Mai 2012 von Mag. theol. Wolfgang Bergmann, 1988-1996 Pressesprecher der Caritas, 1996-1999 Kommunikationsdirektor der Erzdiözese Wien, ab 2000 Geschäftsführer beim STANDARD.
Nachlese: https://www.derstandard.at/story/1336697399175/churchwatch-der-mehrfach-gewendete-benedikt

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